Seite: Zinkvergiftung ein Erfahrungsbericht

Manchmal geschehen noch Wunder … oder: Warum Merlin Merlin heiß … oder: Erfahrungsbericht über eine Zinkvergiftung

Hier möchte ich einen Erfahrungsbericht über eine vermutliche Zinkvergiftung bei meinem Nymphensittich Janosch weitergeben.
Janosch kam als Jungvogel im Jahr 2008 zu mir. Er zog mit Bella und 7 Wellensittichen in eine große Voliere, die leider ein verzinktes Gitter hatte. Züchter und Zooläden meinten, das wäre kein Problem und die meisten nutzen nach wie vor verzinkte Gitter. Insofern war mir die Gefahr in der Zeit nicht bewusst. Für Janosch wurde das Gitter leider zu einem großen Problem.

Als Janosch 2 Jahre alt war, fiel mir eines Tages auf, dass sich Janoschs Beine irgendwie nach innen drehen und er auf der Außenseite der Füße läuft. Da er auch teilnahmslos und kraftlos wirkte, fuhr ich mit ihm zum TA. Der TA vermutete eine leichte Infektion und gab ihm eine AB-Spritze. Leider half diese nicht. Janoschs Zustand verschlechterte sich mehr und mehr.

Es war ein Samstagvormittag, als Janoschs Füße sich so sehr zusammenzogen, dass er sich nicht mehr auf der Stange halten konnte. Er fiel einfach von der Stange! Seine Augen wirkten erschöpft und seine Nickhaut bedeckte die Augen zur Hälfte. Da wurde mir dann doch anders zumute und ich separierte ihn mit Bella in einem kleinen Krankenkäfig. Dort verschlechterte sich sein Zustand innerhalb kürzester Zeit dramatisch.
Da Janosch keinen Greifreflex mehr hatte, lag er bäuchlings mit abgelegtem Kopf und geschlossenen Augen auf dem Boden. Nur an den leichten Bewegungen am Rücken merkte man, dass er überhaupt noch lebte. Kurz: Er war am ganzen Körper gelähmt bis auf die Atmung. Da Samstag war, war auch kein TA erreichbar. Für mich war klar: Janosch stirbt.

Da ich an dem Tag arbeiten musste, versuchte ich, den anstehenden Termin möglichst kurz zu halten, damit ich die letzten Stunden seines Lebens bei Janosch sein konnte. Ich ging mit dem Gefühl, dass ich – wenn ich wiederkommen – als allererstes ein Grab ausschaufeln müsse und verabschiedete mich schon einmal vorsorglich innerlich von Janosch, als ich zu meinem Termin aufbrach. Gott sei Dank konnte ich ihn kurz halten und nach 1 Stunde wieder zu Janosch. Dort war mein erster Blick in den Käfig. Ich merkte: Janosch lebt noch. Aber Bella dreht völlig durch. Sie lag neben Janosch auf dem Boden. Ihre Verzweiflung sprach Bände. Da ich nicht wusste, was Janosch hatte (ich ging ja ursprünglich von einer leichten Infektion aus) und kein TA erreichbar war, separierte ich Bella von Janosch und stellte sie in einem Extra-Käfig neben Janoschs Käfig. Dort wich Bella Janosch nicht von der Seite. Bella zeigte ein Verhalten, dass ich von ihr nicht kannte: Sie trank Unmengen an Wasser (so viel habe ich einen Vogel noch nie trinken sehen) und schied genauso Unmengen an Wasser wieder aus (es sah unter ihr so aus, als hätte jemand den Trinknapf ausgeschüttet).
Ich blieb also bei den beiden und redete mit ihnen. Janosch sagte ich immer wieder, dass es okay ist, wenn er gehen möchte, dass ich mich aber auch freuen würde, wenn er noch ein bisschen da bleiben würde. Die Stunden zogen sich unendlich. Janosch lag einfach da und ss blieb alles unverändert. Wie oft habe ich in den 3 Stunden gedacht, ich müsse ihm den Hals umdrehen, um seine Qualen zu verkürzen. Wie oft habe ich überlegt, jetzt schon in den Garten zu gehen, um seine Beerdigung vorzubereiten. Aber ich wollte ja bis zum Schluss bei Janosch bleiben.

Um 17.30 Uhr passierte das Wunder:
Janosch kletterte mitsamt Lähmung wieder auf die Stange! Allerdings hatte er große Probleme, sich dort festzuhalten und es war für ihn eine ziemliche Kraftanstrengung. Da er nichts mehr fressen und trinken konnte, war für mich klar, dass er so auch nicht mehr lange leben würde. Aber er hat das Wochenende irgendwie überlebt.
Am Montag war ich mit ihm wieder beim TA. Dieser sprach nun von einer massiven Seuche und spritze Janosch alle paar Tag ein AB. Dazu wurde er von ihm künstlich per Kropfsonde ernährt, weshalb wir die nächsten 10 Tage täglich zum TA fahren mussten. Da er nur 1x täglich ernährt wurde, nahm er zwar nicht viel auf und von dem Wenigem, das er aufnahm, kotzte er mir auf der Rückfahrt die Hälfte auch noch aus. Aber es reichte, dass er wieder zu Kräften kam. Nach 10 Tagen künstlicher Ernährung konnte ich ihn wieder in die Voliere zu den anderen lassen. Allerdings hinterließ seine schwere Krankheit Spuren. Er konnte nicht mehr fliegen und hatte keine Kraft mehr. Auch Bella, die neben ihm 14 Tage in einem kleinen Wellikäfig ohne Freiflug ausgeharrt hatte, konnte nur noch 20 cm vom Boden abheben. Beide hatten so gut wie keine Kondition mehr.

Nach ein paar Wochen und etwas Training kam die Kondition Gott sei Dank wieder zurück und Janosch und Bella fingen wieder an, zu fliegen. Ich dachte, alles wäre gut … wäre da nicht ein Rückfall gekommen! Das gleiche Szenario wie vorher! Dieses Mal nahm der TA Janosch stationär auf und untersuchte ihn gründlicher. Seine Diagnose lautete am Ende: Nierentumor. Er könne nichts mehr für ihn tun. Janoschs Lähmung erklärte der TA damit, dass der Tumor auf seine Beinnerven drückt, der die Lähmung verursacht. Ich solle Janosch abholen. Auf meine Frage, wie lange er denn noch lebe, meinte er: Das kann er nicht sagen.

Also haben wir Janosch abgeholt. Da er sich auf keiner Stange halten konnte und mit seinen gelähmten Füßen auch nicht klettern konnte (Gott sei Dank konnte er zu dem Zeitpunkt wieder selbstständig fressen und trinken, wenn er zu den Näpfen robben konnte), bastelten wir ihm ein Liegebrettchen, auf das wir auch Futter und Wasser stellen konnten.

Bella reagierte immer noch psychosomatisch mit Unmengen getrunkenen und wieder ausgeschiedenem Wasser. Es war klar, dass es so nicht bleiben konnte. Da Janosch nur auf dem Brett lag und mit ihm sonst nichts mehr anzufangen war, war klar, dass wir für Bella eine Lösung brauchten. Wir waren zu dem Zeitpunkt beide davon überzeugt, dass Janosch das Wochenene nicht überleben wird. Also überlegten wir: Was machen wir mit Bella, wenn Janosch geht? Sollen wir Bella abgeben oder einen neuen Partner für sie holen? Für beides hätten wir eine Lösung gefunden. Ein Bekannter einer Freundin hätte sie in eine Außenvoliere aufgenommen (Gott sei Dank haben wir uns dagegen entschieden, denn 2 Wochen später wurden die Vögel in dieser Voliere von einem Fuchs oder einem anderen Tier in der Voliere aufgesucht und getötet). Zudem gab unser Züchter zu der Zeit gerade seine Zucht auf und meinte, er hätte noch ein 10-monatiges Nymphensittichhähnchen, das er uns geben könnten. Das müssten wir uns aber schnell überlegen, weil er mit der Abgabe nicht mehr lange warten will. Bella nahm uns die Entscheidung ab. Sie ist zwar nicht zahm, aber während der Überlegung kam sie zu mir auf die Schulter geflogen (das macht sie sonst übrigens nie!) und blieb auf der Schulter ziehen – so, als würde sie sagen wollen: Ich will hier bleiben. Hier ist mein Zuhause und hier sind meine Felos. Also war klar: Wir holen für Bella den Junghahn.

Am 05.06.2010 fuhren wir also los, um jenen Nymphensittichhahn zu holen. Janosch lag immer noch gelähmt auf dem Brett und interessierte sich für gar nichts.
Und dann kam er – der neue Hahn. Erst auf etwas Entfernung in einem kleinen Käfig. Dann, nach 2 Tagen, durfte er aus dem Käfig in die Voli umziehen (das ging, weil die Vögel bei dem Züchter tierärztlich überwacht waren und in dem Fall kein Eingangscheck stattfinden musste). Was dann passiert ist, ist für uns alle bis heute unglaublich:
Der Neue flog schnurstracks in die Voliere zu Bella und der Neue und Bella waren sofort ein Paar. Es war, als hätten sich die beiden gesucht und gefunden. Bellas Symptome besserten sich.

Und Janosch?
Der war so entsetzt, dass der Neue ihm so von jetzt auf gleich seine Frau ausspannt, dass er mitsamt Lähmung auf dem Brett aufstand und auf die Stange zurück gekrochen ist. Er hatte zwar sehr große Probleme, sich auf der Stange festzuhalten und wackelte wie Wackelpudding hin und her. Aber es ging. Janosch konnte sich irgendwie auf der Stange festhalten. In der Folgezeit ging es Janosch besser und besser. Die Lähmung ging zurück und er fing wieder an zu klettern und zu fliegen. Für uns alle unglaublich! Uns war klar, dass wir das nie erreicht hätten. Also bekam der Neue den Namen „Merlin“. Denn Merlin kann scheinbar wirklich zaubern. Er hat unseren Janosch geheilt bzw. seine Heilung durch sein Kommen angestoßen.

Nach 1 Jahr fuhr ich mit ihm noch einmal zum TA, um ihn noch einmal röntgen zu lassen. Dass er in der nächsten Zeit sterben würde, davon ging ich nun nicht mehr aus. Dazu war er einfach wieder zu fit. Er flog wieder wie ein Weltmeister und hatte Freude am Leben. Das Röntgenbild zeigte auch keine Auffälligkeiten mehr. Wir wissen bis heute nicht, was er wirklich hatte, aber eine Zinkvergiftung liegt nahe. Die hatte er nämlich Jahre später noch einmal und da haben wir es ganz genau mitbekommen.

Es war die Zeit, in der ich die Edelstahlvolieren, die ich nach Janoschs Genesung gekauft hatte, zur Reinigung abgebaut hatte und für die Zwischenzeit die alte verzinkte Voliere wieder aufgestellt hatte. Manche können sich vielleicht noch erinnern. Das Ganze geschah innerhalb von 3 Stunden an einem Donnerstag. Janosch biss ganze Teile vom Volierendraht ab und schluckte diese. Die Symptome kamen ebenso plötzlich wie beim ersten Mal. Janoschs Kot zeigte eine neonblaue Farbe, dazu kam, dass es ihm die Füße nach innen zog, er teilnahmslos wirkte etc. Da ich dieses Mal gleich den Verdacht auf eine akute Zinkvergiftung hatte, konnte Janosch schnell geholfen werden. Am Donnerstagabend wurde er beim TA stationär aufgenommen und er wurde mit verschiedenen Infusionen behandelt. Am Montag konnte ich ihn putzmunter wieder abholen. Der TA meinte damals, er hätte nicht gedacht, dass die Nacht von Donnerstag auf Freitag überlebt. So ist Janosch für uns auch ein Zeichen. Nämlich das Zeichen dafür, nie aufzugeben, auch wenn die Situation unmöglich erscheint.

Inzwischen ist Janosch wieder fit. Ein paar bleibende Schäden hat er behalten, die aber nur auffallen, wenn man um seine Geschichte weiß. So ist sein einer Fuß immer noch etwas nach innen gerichtet und er hat Zeiten, in denen er zum Rupfen neigt. Aber das ist alles nichts im Vergleich zu dem, was wir mit ihm vorher alles erlebt haben.

Übrigens haben wir Janosch nach dem Nachröntgen nach 1 Jahr eine eigene Partnerin gönnen wollen. Wir fanden es unfair, dass er seine Frau ausgespannt bekommt und dann ohne Partnerin sein sollte. Also haben wir nach bestem Wissen und Gewissen eine Henne für ihn gesucht, die Bella sowohl farblich als auch charakterlich ähnlich ist. Dieser Versuch ging leider schief. Janosch gab uns deutlich zu verstehen, was er von dem neuen Vogel hält – nämlich gar nichts. Er sieht nach wie vor in Bella seine Frau, der er zeit seines Lebens treu bleibt – selbst dann, wenn Bella sich für Merlin entschieden hat. So mussten wir Luna – Janoschs zugedachte Partnerin – nach 4 Monaten wieder abgeben. Janosch und Bella und Merlin leben seitdem glücklich in einem Dreierverband. Eine verzinkte Voliere kommt uns nie wieder ins Haus.

Hier ein Bild von Janosch heute – 10 Jahre nach der Geschichte (man sieht, dass es sein linkes Bein noch etwas nach innen zieht):



Hier ist der dazugehörige Thread

Autor: @joki



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